Hartmut
Zänder
MRCA: most recent common ancestor
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Bei der Eröffnung der Ausstellung im Anatomischen Institut von Kölnim Januar 2005 sprachen außer dem Hausherrn Professor Koebke nochDr. Gert Fischer, der Direktor des Stadtmuseums Siegburg (leider wederniedergeschrieben noch aufgezeichnet) sowie Dr. Jürgen Richter, Professoram Institut für Ur- und Frühgeschichte, Köln. Hier seineRede:

Meine Damen und Herren,

aus unserem Nachbarland Italien hörten wir letztes Jahr, daßdie Regierung Berlusconi die von Charles Darwin begründete Evolutionstheorieaus den Lehrplänen streichen wolle. Stattdessen solle die Schöpfungsgeschichteunterrichtet werden, wie sie in der Bibel niedergelegt ist.
In den USA glauben 45 % der Erwachsenen, dass Gott den Menschen weitgehendin seiner heutigen Gestalt geschaffen hat, und zwar in den letzten 10.000Jahren. Auch in Deutschland und Österreich glaubt das jeder fünfteErwachsene und in der Schweiz noch ein paar Leute mehr.

In der Bibel heißt es im 1. Buch Mose, Kapitel 2: "Da machte Gottder Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebensin seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendes Wesen."

Charles Darwin selber hat sich in seinem berühmten Evolutionsbuch:"Überdie Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl", 1859, erst aufS. 555 und dort auch nur sehr kurz zum christlichen Schöpfungsgedankengeäußert (Cap. 15, S. 555-556.):

"Ich sehe keinen triftigen Grund, warum die in diesem Bande aufgestelltenAnsichten  gegen irgend Jemandes Gefühle verstoßen sollten.Es dürfte wohl beruhigen, (...) wenn wir daran erinnern, daßdie größte Entdeckung, welche der Mensch jemals gemacht, nämlichdas Gesetz der Attraktion oder Gravitation, von Leibnitz auch angegriffenworden ist, weil es eine ebenso erhabene Vorstellung von der Gottheit sei,zu glauben, dass sie nur einige wenige der Selbstentwicklung in andereund nothwendige Formen fähige Urtypen geschaffen, wie dass sie immerwieder neue Schöpfungsakte nöthig gehabt habe, um die Lückenauszufüllen, welche durch die Wirkung ihrer eigenen Gesetze entstandenseien."

Diesen Standpunkt hat Papst Johannes Paul II 1996 offiziell bekräftigt.

Die Veränderlichkeit der Arten, gesteuert durch Mutation und Selektionist heute keine Theorie mehr, sondern eine wissenschaftliche Tatsache.Der Mensch stammt zwar nicht vom Affen ab, aber: er besitzt mit den heutelebenden Menschenaffen eine gemeinsame Vorfahrenreihe. Und auch innerhalbder Gattung Mensch besitzen wir ausgestorbene, andersartige Vorfahren undVerwandte.

In den letzten 50 Jahren häuften sich die Fossilfunde, die alsBeweise dienen können:

Ramapitecus und Kenyapitecus, mit 15 - 12 Mio. Jahren wohl der letztegemeinsame Vorfahre der Menschenaffen und Menschen. Danach bleibt eineLücke. Dann, zwischen 6 und 4 Millionen Jahren, die ersten Australopithecinenaus Südafrika und Ostafrika, darunter als prominenteste Ahnin, diekleine Lucy aus Äthiopien.

Zwischen 4 und 1,5 Millionen Jahren liegt die Blütezeit der Hominiden.Mindestens zehn verschiedene Arten sind bekannt geworden. Teilweise lebtenvier oder mehr Arten gleichzeitig, so zum Beispiel der älteste Menschim engeren Sinne, der werkzeugbenutzende Homo habilis mit den jüngerenAustralopithecinen vor 2,5 Jahren. Unser naher Vorfahre, Homo ergaster,traf wohl gelegentlich Lucy's groben Verwandten, den "Nussknackermenschen"(Australopithecus Boisei oder robustus). In diese Zeitspanne datiert auchdas große Populationswachstum der Hominiden, das zu ihrer Ausbreitungüber den Nahen Osten und um 1,8 Millionen Jahre vor Heute überden Kaukasus nach Asien führte.

Danach, seit etwa 1,5 Millionen Jahren, verschwanden die Australopithecinenund es verblieb den Hominiden nur noch die Gattung "homo", mit Homo ergasterin Afrika, wie dem Turkana-Boy, der mit 14 Jahren im Schlamm steckengebliebenund ertrunken war, und Homo erectus, zum Beispiel dem Pekingmenschen, inAsien.

Seit gut 700.000 Jahren gibt es einen europäischen Homo erectusoder Homo heidelbergensis. Sein Nachfahre, der Neanderthaler, starb erstvor 30.000 Jahren aus. Wir selber sind wohl enger mit den afrikanischenArtgenossen verwandt als mit dem Neanderthaler, denn der jüngste Zweigder Gattung Homo, Homo sapiens, entstand dort vor 200.000 Jahren in Ostafrikaund begann vor 150.000 Jahren, sich von dort in den nahen Osten, und vorerst 40.000 Jahren nach Europa auszubreiten.

Homo sapiens verblieb schließlich als einzige Art aus einer ehemalsgroßen Verwandtschaft.

So, wie die ersten aus dem All aufgenommenen Fotographien des "blauenPlaneten" unser Selbstverständnis verändert hat, genau so kannes ach die Begegnung mit unserer Verwandtschaft, die wir gerade erst begonnenhaben, kennenlernen.

Vermittelt durch den Maler Hartmut Zänder, wünsche ich Ihnen eineanregende Begegnung mit ihrer Verwandtschaft.

Köln, im Januar 2005

 
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