Seminar 4 :

"KINDERÜBERRASCHUNGSEIER"


Einführung in die künstlerischen Grundbegriffe Komposition, Konstruktion& Konzeption.


Ausgangspunkt für dieses Seminar ist eine Palette mit Kinderüberraschungseiern.Sie steht auf dem Tisch und sorgt allein durch ihre Anwesenheit schon füreine Mischung von Heiterkeit, Erwartung, Neugier, Angst und manchmal einenAnflug von kommendem Ekel. Kinderüberraschungseier gehören zuden zeitgenössischen Einverleibungsformen, die zeigen, wie Eßbares,Kommunikatives und Zukünftiges in überschaubaren Single-Portionenaufbereitet wird. In der Werbung versprechen die Eier die Erfüllungder märchenhaften drei Wünsche, die geheimnisvolle Überraschung,Was-Süßes und Was-zum-spielen. In der Tat ist es hocherstaunlich,welche Vielfalt seelischer Prozesse diese kleinen Dinger ankurbeln können.Schon die Auswahl eines der beiden Eier, die jedem zugesprochen sind, belebtoft Schicksalhaftes. Was ist einem im Leben zugeteilt, geht es da gerechtzu, ist man persönlich gemeint, werden einem geheimnisvolle Zeichengeschickt, die erst noch nach mantischen Regeln zu interpretieren sind,wird alles dem Zufall überlassen oder kann dem Schicksal durch Rappelnund Horchen ein Schnippchen geschlagen werden.

Übung 1: Die Einverleibung
Das, was beim Öffnen der Überraschungseier, dem Essen oder Weglegender Scho-koladenhälften, dem Umgang mit den Figuren und den Bedienungsanleitungenfür die Konstruktionen erlebt wird, soll in Zeichnung oder Malereizusammengetragen und aufgelistet werden. Es ergeben sich oft Prozessbeschreibungenin Reihen oder zusammenballende Schautafeln, die an Biologie oder Erdkundeerinnern. Das gemeinsame Gespräch erörtert den Umgang mit kleinenGanzheiten, die sich kollektiv und individuell als Zusammen-führungvon Natur- und Kulturformen präsentieren (poiesis & techné),die auftretenden Konstruktionsprobleme, die Einbindung in Familien, Reihenund Sippen, die Behandlung von Resten uvm..

Übung 2: Komposition
Je zwei Teilnehmer begeben sich zu einer Zeichnungsreihe in einen kunsttherapeutischenDialog. Jeder entwirft eine Komposition, abstrakt oder figurativ, dazu aufeinem kleinen Zettel irgendeine visuelle Figur. Im folgenden geht es darum,die kleinen Zettel auszutauschen und auf einem neuen Blatt in die eigeneKomposition einzubauen. Dies insgesamt dreimal. (Es sind auch Folgebildermöglich, in denen Einzelnes wieder ausgegliedert wird)
Kommunikation wird hier als eine Form der Einverleibung begriffen, die sichin Bildern formulieren läßt. (An Standbildern von Werbespotsmit Schokoriegeln oder langsamlaufenden Tischgesprächen konnte diesgut demonstriert werden). Das abschließende Gespräch versuchtin differenzierter syntaktischer Beschreibung, die Logik einer solchen tatsächlichvisuellen Kommunikation aufzuspüren, zu sehen, wie Neues integriertwerden kann, wie flexibel die eigene Adaptationsfähigkeit ist, ob sichKompositionen wandeln, um Anderem Platz zu schaffen, ob sie es irgendwoanpappen oder sich ihm unterwerfen uvm..

Übung 3: Konstruktion
Analog zu den kennengelernten professionellen Figuren und Konstruktionenin den Containern soll jeder eigene Serien entwerfen, die nicht unbedingtim Rahmen der Kinderüberraschungseier bleiben muß. Oft werdennicht nur die Konstruktionen in den Plastikcontainern, sondern auch dieSchokoladenfassung und die Verpackung alternativ mitverändert. Konstruktionsstrategienin Bildern fokussiert und analysiert zu sehen ist für viele eine völligneue und ungewöhnliche Form einer eher kognitiven Selbsterfahrung.

Übung 4: Konzeption
Im Anschluß an die vorigen Übungen wird entweder nur im Gesprächauf den umfassenderen Begriff der Konzeption, auf deutsch "Auffassung",eingegangen oder in einer Zusatzübung bildnerisch gestaltet.
Wiederum in Paarkonfiguration werden am zweiten Tag die Reste dessen, wasvom Vortag hängengeblieben ist, in einem Bild zusammengebracht unddem Partner zur Bearbeitung vorgelegt. Das, was konzeptionell an Konstruktionsstrategien,an Einverleibungs- und Behand-lungstechniken für den Einzelnen verfügbarist, unterscheidet sich im Umfang des aktiven und passiven Repertoires.Der eigene Konzeptionsreichtum wird in der Regel als Geschenk für einenanderen sichtbarer als in der Selbstbehandlung.

näheres dazu in dem Vortrag und Katalogtext : "Die Kunst der Einverleibung",
Hogeschool for creatieftherapie, Amesfoort 1993

+ + + essays + domain: public homepage + zurück + private homepage + e-mail + + +