Luc begann wieder zu laufen, nicht so schnell wie eben, aberer wollte keine wertvolle Zeit mehr verlieren. Er fühlte sich zunehmenderleichtert, daß Wepp noch lebte, doch jetzt würde er sich sputenmüssen.
   >Du hast dich vorhin dem Wepp gestellt, du kannst dichauch allem anderen stellen!<
    Er schaute besorgt durch die Heckklappe.
   >Und wenn der mir jetzt doch noch unter den Händenstirbt?<
   Wepp hatte sich zur Hälfte herumgewälzt undstierte ihn aus matten Augen an. Die dunkle klebrige Mütze hing schiefüber der blutverschmierten Gesichtsseite. Luc beeilte sich, in dieAmbulanz nach Merheim zu kommen.
   Einmal, bereits auf der B 55 und die Autobahn hinter sich,begann Wepp sich zu rühren. Er versuchte krampfhaft, sich hochzurappeln.Luc beobachtete ihn aufmerksam im Rückspiegel und überlegte,ob er die Pistole herausholen sollte. Wepp's Hand näherte sich langsamLuc's Schulter, doch dann sackte er mit einem Seufzer schlapp und entkräftetzurück und blieb bis zur Ankunft ruhig.
   Zwei grüne Pfleger fuhren Wepp in die Notaufnahme,während Luc zur Anmeldung ging. Es war einfach unmöglich, diebleiche dürre Frau im weißen Kittel davon zu überzeugen,im Praesidium anzurufen und so stand Luc am Kartentelefon in der Halle,konnte aber nur mit einem Polizisten von der Zentrale sprechen, der seineNachricht aufnahm und weiterleiten wollte. Niedel-Scherer war im Augenblicknicht erreichbar.
   >Dann stellst du den Jungs halt ihre Karre wieder hin!<
   Den Kopf wird ihm schon keiner abreißen dafür.
   Natürlich wartete beim Einparken niemand vor demHaus und er überlegte, wohin mit dem Schlüssel. Im Handschuhfachfand sich ein Kugelschreiber und er notierte auf einem Parkzettel seinenNamen samt Telefonnummer. Er wählte die unterste von drei Klingelnund schellte kurzentschlossen, ein Rentner in graugestreiftem Bademantelschlurfte langsam heran, kratzte sich den struwweligen Haarkranz und nahmmißmutig dden Zettel entgegen. Überlaute eingestreute Lacherdröhnten aus dem Flur hinter ihm her. Er hörte nur mit halbemOhr hin, als Luc ihm seine Wiedergutmachungsbeteuerungen für die beidenArbeiter auftrug. Er nickte, als habe er alles ganz genau verstanden undwinkte jovial ab, um schnellstens wieder zu seiner Fernsehfamilie zu kommen.
   Na gut. Luc hatte immer noch die Pistole und den Lappenin der Hose und zog unwillkürlich die Jacke weiter runter.
   >Wenn du schon entsorgen willst, dann aber richtig!<hatte er sich noch vor einer Stunde gesagt und die Gegend war ihm schwarz-weißund melodramatisch wie in einem alten Film erschienen und er hatte im Kopfeine trockene Melodie gehört, die sich wiederholte, leise und heiserwie Miles Trompete. Er stellte sich vor, wie er die Waffe entsorgt hätte.In den Rhein damit wahrscheinlich. Von der Brücke aus hätte ernicht wagen können, sie herunterzuschmeißen und auf der Rheinpromenadewären sicher zu viele Leute gewesen und so wäre er immer weitergegangen. Vielleicht hätte er hinter der Severinsbrücke ein offenesTor zum Rheinauhafen gesehen, sich zwischen parkende Autos gehockt, anden Rand der Rampe da. Er hätte die Pistole zu dem Lappen in die Tütegesteckt und noch ein paar Wackersteine dazu und die Tüte mit einemKnoten langgezwirbelt. Er hätte sich vielleicht noch einmal umgeguckt,die Nasenspitze über dem Rand der Kühlerhauben und hättedann das Zeug an der Mauer entlang ins Wasser herunterfallen lassen.
   >Du wirst das Zeug bei der Polizei abgeben!<
   Hinter dem Krankenhaus erschien die Welt ihm wieder etwasfarbiger und er freute sich auf zuhause und eine ausgiebige Dusche. Zuvorjedoch wischte er den Dielenboden richtig sauber und sammelte alle Ersatzwaffenwieder ein und räumte sie zurück, in den Spind, den Werkzeugkasten,in die Küche. Drei Messer fehlten. Er ging mehrmals hin und her, packtedie Boulekugeln zusammen, ordnete die Bücher wieder gerade. Die Briefesteckte er weg in einen Hefter und wenn er schon mal dabei war, konnteer gleich auch die Zeichnungen abnehmen und aufsammeln.
   >Es ist Zeit! Fang etwas Neues an, Junge!<
   Ihm fielen der Tisch und die daruntergeklebten Schraubenzieherund Messer ein. Fehlte aber immer noch das eine Fleischmesser. Merkwürdig.Wird sich schon finden, dachte er achselzuckend.
   Frisch geduscht riß er die beiden Fenster auf undließ gierig die Sommerluft herein, die jetzt die richtige Sommersattheitund umhüllende Wärme hatte. Er rückte sich einen Stuhl ansoffene Fenster und ließ sich in der Unterhose trocknen, die Augengeschlossen. Er hatte die Nase gestrichen voll von Wepp und auch von Lily,die dem doch tatsächlich seinen Schlüssel gegeben hatte. Schwach,schwach.
   >Ob der noch mal hier aufkreuzt, wenn er raus ist?<
   Luc schüttelte den Kopf und war sich sicher, daßnicht. Er konnte jetzt endgültig wieder aufräumen, alles zurücksetzen,was sie ihm hier locker gemacht hatten. Selbst das Bett bezog er frühzeitigneu und stopfte die alten Sachen in den Wäschesack.