suum cuique mos . . . nomen et omen, in medias res, mens sana, in corpore sano, carpe diem, ars longa, vita brevis 


nomen et omen

 Colonia Claudia Ara Agrippinensium,
Samstag, 31.12.68 u.Z.

  Bin anscheinend, als es noch Nacht war, mit dem falschen Fußaufgestanden und später mit der Schulter auch noch prompt am Türrahmenhängen geblieben. Bin zu Al rübergegangen, der schlief, aberwohl nicht allzu tief, denn er schlug bald die Augen auf. Er hat sich genauwie ich eine schmale Matratze in sein Kabuff gequetscht, von der er mitseinen 140 Kilo nach allen Seiten überquoll.
   Nachdem gestern abend alle demonstrativ offen ihre Schlafklamottenund den zusätzlichen Proviant in den Konferenzraum geworfen hatten,war die Einstellung unserer Abteilung einstimmig klar, was die allgemeinenDirektiven anging. Es wurden verschwörerisch noch zwei Sekt geköpftund fröhlich hieß es: Gläser hoch. Keiner hatte Verständnisdafür, sich ausschließlich um die eigenen Dateien zu kümmernund sich nur auf den offiziellen Kanälen umzugucken. Bis auf den ewigenAbstauber Didier hat sich jeder entgegen den Anweisungen etwas einfallenlassen oder wenigstens besorgt, um ein bisschen Einfluss aufs Spiel nehmenzu können. Es war klar, dass Didier als erster dazu aufrufen würde,alle Karten aufzudecken, die Programme auszutauschen und alle Informationenzu teilen. Zu mehr als zwei gemeinsamen Konferenzen pro Tag wollte sichaber niemand außer ihm durchringen. Er schmollte. Als ich ihm späterdann doch mein Statuenspannerprogramm rüberkopiert hab, war ihm kaumein geschnaubtes >Danke< zu entlocken.
   Nun, das war eh von mir als eine Art Opfer gedacht, dennjetzt war ich es, der von Al das Tramperprogramm wollte. Den Kasten Nobis-Kölschhab ich ihm ans Fußende seines Betts gestellt und auch gleich vierFlaschen in den Kühlschrank geräumt. Mit seinem linkischen Hackergrinsen,sicherlich angeboren, richtete er sich auf, ohne dabei die Flaschen Bieraus dem Auge zu verlieren.
   Mit ausgestrecktem rechten Arm - ich musste den Kühlschrankalso gleich wieder aufmachen - meinte er:
   »Ist schon gut. Ich weiß genau, was du willst.Ich schick' es dir gleich rüber. Gib her und setz dich«.
   Ich gab ihm jetzt doch einen kurzen Bericht übermeine Erfahrungen mit seiner Plinia und auch von meinen ersten Versuchenmit meinem Spannerprogramm. Er musste herzhaft lachen, als ich ihm dasvon der Sklavin des Vitellius erzählte.
   »Nein, nein, ich war in einem Hafenarbeiter in einerSüdstadtkaschemme. Als wenn es einen Geheimtip gegeben hätte,war das Ding gerammelt voll, und nicht nur Selbstläufer. Zuerst habenwir gewürfelt, dann gab's eine prima Schlägerei und zum Schluss,und das war wirklich Klasse, haben wir einem komischen Typ, der großspurigals Händler aus Marsilia auftrat und andauernd Latein reden wollte,geholfen, eine dralle Kellnerin nach nebenan zu zerren. Als der sich dannvor uns zierte und überhaupt nicht wusste, was er mit dem Mädchenanfangen sollte, haben wir dem das dann mal so richtig gezeigt. Es gingnur viel zu schnell, sonst wäre mir wahrscheinlich noch einer abgegangen.Nach einem Zug durch die Gemeinde sind wir am Schluss in so einem öffentlichenKlo gelandet. Zu mehr als einem Dutzend saßen wir in der Runde, manchehatten ihr Mädchen auf dem Schoß. Stockduster und tierisch laut,das Ganze. Man konnte fast nichts sehen, nur einer hatte ein Lämpchenund auch das hat ihm einer noch ausgepinkelt. Danach hörte man fastnur noch, wie die Leute mit den Füßen in die Wasserrinne patschten.«
   »Herrlich. Jetzt erklär mir aber doch bittemal, wie du in die Selbstläufer reinkommst. Ich hatte mir das auchschon mal überlegt, mir ist aber nichts Gescheites dazu eingefallen.«
  Sein Grinsen wurde breiter und er atmete seinen kleinen Triumphgeräuschvoll ein.
   »Tja. Mir zuerst auch nicht. Normal kommst du daauch nicht rein. Du bräuchtest den Code, den sie dir ja für keinGeld der Welt geben. Du hast ja sonst keinerlei Anhaltspunkte, an was duden Datasuit anschließen sollst. Außerdem muss immer einerin der Nähe sein, sonst dümpelst du mit der Figur im Sparmodusrum. Und selbst wenn du den Code für die Figur hast, kannst du jahöchstens sehen, was die sieht. Das ist vielleicht doof. Ich hab daseinmal probiert, als ich einen Freund in der experimentellen Medizin besuchthabe. Wenn du in so einer Figur drinsteckst, ohne sie zu spüren, undnur durch die Augen rausguckst, wird dir unter Umständen schwindelig.Du willst nach rechts gucken, die dreht sich aber nach links. Ein absolutesTunnelfeeling. Allerdings besser als garnichts. Hauptsache scheint mir,dass du einen kriegst, der gerade in irgendeinem Kontakt steht, wegen derAuflösung. Also - das bleibt aber unter uns - ich hab den allgemeinenHauptcode für den Selbstläuferpool von der Abteilung in Karlsruhemitgehen lassen und mir ein hübsches kleines Hilfsmodul ausgedacht.Das sieht jetzt aus wie ein medizinisches Begleitexperiment.
   Ich steuere Exp.Med. an und lasse mir von da drei randomisierteSelbstläufer präsentieren, bei denen der Zusammenhang zwischenallgemeinem Muskeltonus und Augenbewegungen überprüft werdensoll. Das hört sich doch gut an. Wenn ich nach einer bestimmten Figurfragen würde, müsste ich deren Code präsentieren und aus.Aber so ist das genau die Sprache, die diese Assistenzprogramme verstehen.Sie brauchen keinen Code herzugeben und meinen, alles ist bestens. Undbei den dreien brauchst du nur im Speicher nachgucken und weißt,welches aktiviert ist oder nicht. Und dann nichts wie rein.«
   Logisch. Al merkte, dass ich erstaunt auf seinen sensorbestücktenhauchdünnen Fitnessanzug starrte, den sie mal vor Jahrzehnten fürdie ganz Faulen erfunden haben. Du stehst bloß da und deine Muskelnkriegen direkt vom Anzug die entsprechenden Impulse:
   - und eins und zwei und Sprung und drei und vier.
   »Tja, Oskar. Aus medizinischen Gründen stehtder mir zu«.
    Er klopfte sich stolz auf seine Speckseiten.
   »Nicht zu fassen. Also ich geh dann gleich mal rüber,ja?« Al reichte mir die Disk und schielte schon wieder auf seinenknätschgrünen Fitnessfummel, eine Flasche Bier in der Hand.
 

   Herrlich. Dieses Programm kam genau im richtigen Moment.Dieses unbewegliche Gespanne ging mir langsam schon auf den Keks. Auchwenn ich mit AlŐs Tramperprogramm noch nicht selber eine Figur steuernkonnte, war ich nicht mehr auf dieses absolut starre Glotzen reduziert,sondern würde von irgendwelchen Figuren bequem durch die Gegend geschuckelt.Und dieses Tunnelfeeling, von dem Al sprach, konnte ja lange nicht so beengendsein wie das, was ich bisher erlebt hatte. Ich installierte den Kram undfreute mich darüber, dass das Programm funktionierte genauso, wiewenn ich früher Geld in einen Automaten schmiss, aus dem dann wirklichunten was herauskam. Von den drei Zufallsfiguren, deren Daten auf meinemMonitor landeten, einer Bäckersfrau, einem Sklaven in der Gladiatorenschuleund einem Kappesbauern entschied ich mich erstmal für den letzten,der gerade mit seinem Ochsenkarren in die Via bonnensis, die Bonner Straßeeingeschwenkt war.
 

   Wir haben den Wagen voller Rüben, aber ich kann kaumetwas sehen. Oben hängt mir eine Kapuze ins Gesicht und vor mir schaukelndie breiten Hinterteile der beiden Ochsen. Nur einmal schauen wir rechtszur Seite, als sich plötzlich eine Männerstatue irgendwo überuns von einem Grabmal löst und mit lautem Krach zu Boden stürzt.Seltsames Vorzeichen. Ein Kurier in strammem Galopp überholt uns,dann sind wir wieder allein und die Auflösung sinkt ins Supersparsame.
   Ich bin ein strohblonder Friese und habe einen Reisigbesenin der Hand. Ich fege den Hof der Gladiatorenschule, nicht weit von derVia novaesiensis, der Neusser Straße im Norden. Ich bin bei einerHolzbalustrade und kann hin und wieder in eine der kleinen Schlafkammernblicken, die sich über die gesamte Länge der Südseite akkuratwie Einbauschränke aneinanderreihen. Von der Front her nähertsich eine größere Gruppe von Leuten, die meisten im Sagum, demdicken Wollumhang der Germanen.
   Von weitem erkenne ich das speckige, runde Gesicht desVitellius, obwohl die anderen fast alle noch größer sind alser. Gleich vor mir geht eine Tür auf und während ein weitererfriesischer Sklave ein ausgebranntes Kohlebecken herausträgt, seheich eine aufgedonnerte Römerin, den Kopf voller Locken und goldglänzendeReifen am Arm, ihre Stola hinter sich auf braunen Gladiatorenbeinen ausgebreitet,wie sie selbstbewußt die »Große Grätsche«übt. Ich denke, das könnte die von gestern sein, bin mir abernicht sicher, denn die hier ist nackt und die Haare hängen ihr insGesicht. Außerdem sieht der Friese nur kurz hinüber.
   Wir fegen mechanisch weiter in Richtung der vorderen Kammern,in denen ich die Vitelliusgruppe vermute, die plötzlich weg war. DieKammer mit der grätschenden Römerin ist auch zu. Sofort schaltetder Friese einen Gang runter und ich höre nichts mehr. Mich wundert,dass Vitellius hier ist, hat man ihm doch gestern von hier Randale angekündigt.
   Die Gruppe kommt aus der ersten Kammer und ich kann jetztwieder besser hören. Ich ärgere mich über den Friesen, derkaum hinguckt und so tut, als ginge ihn das nichts an. Denn irgendetwasstimmt da nicht. Ich kann vier stämmige, finstere Kerle erkennen,die Vitellius eingeklemmt haben und das wohl nicht mit dessen Einwilligung.Beim nächsten Blick des Friesen auf die Gruppe ist klar, dass sieihn regelrecht in ihrer Gewalt haben. Seine Kleidung ist zerfleddert, siehaben ihm die Hände auf den Rücken gebunden und ein schwarzerKantenkopf mit einem weitausladenden Helm bohrt ihm ein breites Schwertunter die Kehle, so dass Vitellius sein Doppelkinn ganz stramm in den bleichenWinterhimmel recken muss. Er wirkt völlig verstört und rolltdie vor Wut und Angst weit aufgerissenen Augen bald rechts, bald linkshilfesuchend herum.
   Der Längste von allen, ein drahtiger Germane mitRiesenmatte scheint der Anführer zu sein. Er legt eine rötlichbehaarte Hand auf die Schulter des Zitternden und meint:
   »Also, Junge, wir haben uns verstanden. Du kannstjetzt wieder einen Happen essen gehen. Aber, damit du auch wirklich weißt,wie das mit uns läuft, zeige ich dir noch was.«
   Er winkt mich Friesen freundlich zu sich hin und gibtdann dem mit dem Schwert ein Zeichen.
   Ich will nicht glauben, was ich da erlebe. Der Schwarzelässt Vitellius los, macht einen Schritt auf mich zu und ich seheden Hieb seiner Linken wie in Zeitlupe auf mich zukommen. Der schlägtmir doch wirklich glatt den Kopf ab. Ich glaub, ich fall in Ohnmacht.
 

   Der erste Griff ging an meinen Hals. Ich war intakt, obwohlsich ein panisches Gefühl breitmachte und ein flackerndes Hautkribbelnmich andauernd kratzen ließ. Doch mir scheint, der Kerl in Vitelliushatte ein weitaus größeres Problem.
   Dass sich diese Gangster, was sollten die wohl sonst sein,auf derart brutale Weise ins Spiel brachten, zerstörte auf unwiederbringlicheWeise die ohnehin trügerische Illusion einer schönen virtuellenWelt der reinen Kunst, einer risikolosen Idylle, die, weit weg vom eigenenTod, nur aus der Herrschaft über Forward und Rewind besteht. Mir wardanach, mich kurz aufs Ohr zu hauen, aber zuerst musste ich das jemandemerzählen.
   Im Gruppenraum war nur Al, der es sich dort aber richtiggemütlich gemacht hatte. Er lümmelte sich mitten auf dem Fußbodenauf einem Schlafsack, Studentenfutter und Kölsch griffbereit und hingaufmerksam am Monitor. In dessen Mitte drehte sich bauchtanzend Fatima,unsere tunesische Moderatorin in ihrem luftigen Scheherezade-Kostüm.Sie brachte schon seit Projektbeginn hin und wieder ihr weißes Wüstenlachenauf den Monitor, um mit meist nur angedeuteten lasziven Bewegungen Nachrichtenoder Sonderansagen zu übermitteln. Diesmal tanzte sie aber richtigzu den raumfüllenden Klängen einer unsichtbaren Oud und zweierTrommeln. Links hatte sich Al drei hochformatige Fensterchen der historicalbasics aufgemacht, während sich rechts wie ein schnurloses Mobileeine Handvoll Kaiserköpfe drehten, so dass man einen plastischen Eindruckwie von Steinbüsten bekommen konnte.
   Aha. Wieder mal eine von Als Info-crash-units.
   »Hey, du bist es.« Er ließ weiter dieTexte sprunghaft rauf und runter rollen.
   »Lass dich nicht stören, Al. Ich wollte dirnur kurz etwas erzählen. Was zieht du dir da rein?«
   »Ach, so allgemein die Lebensdaten von dem Vitelliusund seiner Familie. Daneben gehe ich den Verweisen auf Caligula und Neronach, soweit das bekannt ist. Die beiden finde ich ja eigentlich viel spannender,die waren viel verrückter und brutaler. Und viel geiler. Aber es istschon toll, zu sehen, wie sich die ganzen Vitelliusse bei allen julischenKaisern in die zweite Reihe geschleimt haben. Was wolltest du mir dennerzählen? Warte.« Er schaltete die arabischen Lautenklängeaus.
   »Auch von Vitellius, allerdings unserem hier.«
   Al kniff sein Gesicht zu, während er mir mit ungeteilterAufmerksamkeit zuhörte. Er hatte eine ungeheure Konzentrations- undSpeicherkapazität.
   »Das ist ja vielleicht verrückt«, meinteAl und rollte das Fenster mit Vitellius Lebensdaten bis ganz runter.
   »Hier. Ich wusste doch, dass mir ein Ding schonmal untergekommen war. Diese Typen haben den Vitellius einfach mit demSchreckensbild vom Ende seiner Herrschaft konfrontiert. Es heißt,das der historische Vitellius Ende 69, als Vespasians Truppen schon vorRom standen und die Praetorianer den Palast verlassen hatten, zunächstauch flüchten wollte, dann aber umgekehrt und durch den leeren Palastgeirrt sei. Am Schluss hat er sich in einer kleinen Pförtnersloge,da, wo sonst die Hunde angekettet werden, verschanzt. Dort wurde er vonden eindringenden Soldaten aufgestöbert, aber die ersten, die ihnvorher nie zu Gesicht bekommen hatten, konnte er noch über seine wahreIdentität täuschen, doch die nächsten haben ihn natürlichbald erkannt und zerrten ihn in genau derselben Aufmachung von vorhin wieChristus durch die Straßen, schlugen und stachen auf ihn ein, biser zuletzt tot zusammenbrach. Ich habe aber noch einen anderen Hinweisfür dich. Hier«, er scrollt wieder zurück. »Was dieSache mit dem Hinken und den Gladiatoren angeht. Der historische Vitelliusist dafür bekannt, zeit seines Lebens sich bei Gladiatoren oder beiden Circusleuten herumgetrieben zu haben. Er war Anhänger der blauenPartei und als Halbstarker schon häufig in deren Pferdeställengewesen. Er liebte halt alles, was stark riecht. Immerhin dürfte ernur deshalb als Statthalter in Köln sein, weil ein Partei-freund,Titus Vinius, höchster Berater vom jetzigen Kaiser Galba war. Dasser das eine Bein ein wenig nachziehen muss, verdankt er ja auch den Wagenrennen.Er wurde Ende der dreissiger Jahre mal von einem Gespann angefahren, alser sich bei den Grünen als Helfer des Caligula verdingt hatte. Bisin den Beginn von dessen Kaiserzeit hinein hatten die ja jede Menge Spaßzusammen gehabt. Nachts in einer Horde durch die Straßen Roms ziehenund ahnungslose Heimkehrer verprügeln - übrigens eine Sitte,die später Nero wieder aufleben ließ, wie ich eben gesehen habe- oder ganze Tage und Nächte im Suff mit Würfeln durchzocken.Und auch die Gelage und Orgien waren ganz nach seinem Geschmack.
  Caligula konnte anscheinend sehr großzügig sein.Er bot sogar seinen Freunden des öfteren die drei Schwestern an, obwohler seinen Liebling Drusilla meist für sich behielt. Ich hab mir vorhinvorgestellt, dass es sehr gut sein kann, dass der Vitellius vielleichtein paarmal die Agrippina zwischen den Fingern hatte. Allerdings glaubeich nicht, dass die beiden sich vom Typ her besonders gut verstanden haben.Der Vitellius wird heilfroh gewesen sein, in der Zeit von Kölns Erhebungzur Kolonie weit weg vom Schuss gemütlich auf einem Statthalterpöstchenin Syrien zu sitzen. Das war genau die Zeit, als Agrippina zur mächtigstenFrau Roms avancierte. Er war ja überhaupt nie verbissen ehrgeizig.Er ist einfach auf der autobahnbreiten Schleimspur seines Vaters Luciusmitgerutscht, der einmal sogar, wie sonst doch nur im religiösen Kultusüblich, beim Anblick von Caligula sein Haupt mit einem Togazipfelbedeckte, sich zu Boden warf und »Ich sehe einen Gott« ausrief.
   »Brrrr.« Es schudderte mich.
   »Für all die schönen kostenlosen Infosdarfst du mir jetzt auch Nachschub besorgen. Du bist schließlichjünger als ich«, schob er hinterher.
   Draußen an der Klappe wartete ich auf einen starkenKaffee und holte dann aus meinem Raum noch etwas Bier für Al. Wiederim Gruppenraum war alles anders. Die halbe Mannschaft war dazugekommenund alle starrten stumm und erschrocken auf den großen Schirm, aufFatima, die aufgehört hatte zu tanzen. Diesmal stand sie nur da wieFalschgeld, sauber ausgeschnitten vor dem sich langsam drehenden Gesamtscanvon CCAA, die Hände linkisch verschränkt und verabschiedete sichin diesem Moment.
   »Tilling ist tot«, meinte Billa.
   »Wie, Tilling ist tot?«
   »Vor einer halben Stunde haben sie ihn gefunden.Blau angelaufen in seinem Tank. Seine Sekretärin war schon dreimalin seinem Raum, weil er noch einen Termin hatte. Als jemand dann im Praetoriumnachgesehen hat und Vitellius auch da reglos rumlag, haben sie den Tankgeöffnet und Tilling auf die Krankenstation gebracht. Aber es warzu spät. Sieht schwer nach Herzinfarkt aus. Aber er soll wohl trotzdemobduziert werden.«
   Wendy fragte, was denn jetzt aus dem Statthalter wird.Ist doch klar. Das historische Protokoll muss weitergehen, und wenn siezur Not einen Selbstläufer draus machen. Aber noch ist die Vergabeja geheim und sie können nach den vereinbarten Regeln so eine Identitätnicht einfach weitergeben.
   Das wurde nun alles heiß diskutiert. Manche meinten,er würde in jedem Fall jetzt nach römischem Ritus ordentlichbeerdigt, alles müsse nach Wahrscheinlichkeitsvarianten weitergehenund nix würde es mit der Ausrufung zum Kaiser. Andere hielten dagegen,erst wenn er einen ganzen Tag lang tot blieb, wäre das sicher. Vielleichtverkauften sie die Figur aber auch sofort weiter und das gäbe dannwahrscheinlich ein tierisches Rotieren. Oder sie warteten noch einen Tagund dann. Oder sie machten, wie ich meinte, tatsächlich einen Selbstläuferdraus, um das historische Protokoll nicht länger zu gefährden.Am Schluss waren wir uns alle einig. Wir wussten absolut nichts.


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Copyright © 1999 by Hartmut Zaender, Köln, Nachdruck zu ausdrücklich privaten Zwecken gestattet