Seminar 6 :

"KURZPERFORMANCES"


Über Haltungen, Posen und Gesten


Es geht hier um Vorstufen zur Körperarbeit in einem künstlerischenRaum. Selbständigkeit gibt es nicht nur im übertragenen Sinn,sondern erst einmal innerhalb der Palette von möglichen Haltungen undGesten auf der leiblichen Ebene. Kultur hat über Jahrtausende eineriesige Fülle an eindeutigen Verkörperungen hervorgebracht. Seidies rituell wie der ruhende Buddha, der Imperator mundi, der schreitendeKaiser, seien dies Kunststellungen und Bewegungen aus dem Tanz, dem Theater,dem Springen beim Sport oder dem Fallen der Blinden, der Clowns, der Fallsüchtigenin der Psychiatrie. Aus diesem kollektiven Programm-angebot von Bewegungs-und Haltungsmustern ist für jeden Einzelnen nur ein gewisser Ausschnittverfügbar, der jedoch mit individuellen Eigenheiten angereichert ist.Inhalt und Umfang des persönlichen Formrepertoirs variieren mit denLebensaltern, seinen Höhen und Tiefen, seinen Siegen und Niederlagen.
Vor dem unvermeidlichen Ende der Hinfälligkeit werden immer wiederneue Posen und Haltungen ausprobiert, ob sie zu dem neuen Lebensabschnitt,dem neuen Partner, der neuen "Stellung" passen oder ob man nichtlangsam etwas tun muß, um wieder in Form zu kommen. In diesen Spannungsbogenhineinzusehen und einen Sinn für den Zusammenhang von künstlerischerFormulierung und Körpersprache zu entwickeln ist Ziel dieses Seminars.

Übung 1: Decodieren
Es wird auf Video eine Kurzperformance von dem schizophrenen KünstlerA.Walla aus Gugging vorgeführt, dann noch einmal in Standbildern, diedie Teilnehmer mit Bleistift mitskizzieren. Noch vor der Besprechung sollensich alle eine ähnlich kurze Performance ausdenken, die zu ihnen passtund sie so skizzieren, daß sie sie später vorführen können.
Zunächst wird die vorher unverständliche Performance von WallaSchritt für Schritt analysiert und in ihren Sinnzusammenhang als poetischesGebet gestellt. Nach den einzelnen Vorführungen der Teilnehmer wirdmit Hilfe der Zeichnungen auf die möglichen Fragen der Raumgreifung,des Energieflusses, der Belastung und des Widerstands eingegangen. Die Choreographienselbst können auch von mehreren Teilnehmern wiederholt und auf Videofestgehalten werden.

Übung 2: Inszenieren
Das, was die Besprechung an Störungen, Brechungen, Knackpunkten herausgestellthat, soll in eine kleine Gruppeninszenierung gebracht und anschließend,auch mit Verkleidungen, aufgeführt werden. Dazu beraten sich Gruppenvon drei bis vier Leuten, wer was verkörpert sehen möchte, baueneinzelne Haltungen zusammen und eröffnen so einen künstlerischenRaum, der in der Körperarbeit, der Tanz- und Theatertherapie weiterentwickeltwerden kann.

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