is the middle of the web Eines hat der Webuser mit einem Belly strukturell gemein, nämlichdie paradoxe Verfassung des »ubi quique«, was heißt,zugleich überall an jedem Punkt und doch nirgends im Besonderen zusein, eine Zusprechung, die einst nur Göttern galt. Das Web, das weltweite Netzwerk, verfügt über keinen messbarenRaum, es ist keine Res extensa, die in ein Koordinatenkreuz eingezeichnetwerden könnte, deshalb ist jeder, der daran teilhat, zugleich im Zentrumund doch am äußersten Rand, ein ärgerliches Paradox, zudessen Beseitigung unterschiedliche Strategien eingeschlagen werden. Eine geht auf die Wertigkeit des Nutzers, sein »Ansehen«oder »Value« im Web, beworben mit Vote-me's, Bannern und Link-exchangesund darstellbar in der möglichen Internetformel »Value=n * eyeballs«oder anders ausgedrückt: der Wert eines Nutzers - sein Ansehen - erhöhtsich mit der Anzahl der Augäpfel, die auf die eigene Seite schauen.Weitere Möglichkeiten sind: eigene Klubs zu eröffnen, Chatrundenund Foren zu betreiben, um über diese familienähnlichen Zugehörigkeitenso etwas wie eine virtuelle Heimat zu schaffen. Heimat erdet und führt zurück in die Generationenkette, inder einer über seine Nabelschnur nicht nur mit seinen direkten Vorfahren,sondern mit allen Menschen verbunden und verwandt ist, wenn man das Zeitfensternur weit genug spannt. Eine dem Web durchaus vergleichbare Struktur. Abnabeln muss sein, und doch wird es im Leben immer wieder zurückgenommenzugunsten neuer Nabelschnüre, neuer Verbindungen und Abhängigkeiten,transformierten Strukturen, die ein wiederholtes Abnabeln erzwingen. Auch wenn die ersten Versuche, Internetverbindungen schnurlos herzustellen,bereits anlaufen, erscheint doch der Zusammenschluss der Computer mittelsStrom- und Telefonnetzen wie eine kollektive Vernabelung. ( Wie sagt derHerr im Werbespot für Pay-TV: »Wie, Sie haben noch kein Kabel?«) Das Anschließen von Kabeln ist den meisten ein Graus, ähnlichdem Entziffern von Handbüchern, steht die Verbindung jedoch erst einmal,werden die vorigen Verwirrungen und Verzweiflungen augenblicklich vergessen,um dem unvergleichlichen Glücksgefühl des »User your-nameis logged in« zu weichen. ( Der staunende Tennisstar: Ich bin drin?!} Drin-sein = In-sein! Das Drinsein im Netz, im neugewonnenen El Dorado des Überall undNirgends, im Spielraum allgemeiner Verfügbarkeit erzeugt ein aufgespaltenesBewusstsein, ein schizophrenes Dasein. Über die Augen, Händeund Kabel mit der Welt hinter dem Monitor verschaltet, gerät der Leibvor dem Bildschirm ins Hintertreffen und wartet nun immer stärkerauf seine Wiederentdeckung. Ob dazu die zurückblickenden Live Webcamsausreichen, ist allerdings fraglich. Der Dolmus-Bus von Alanya nach Manavgat im Süd-Westen der Türkeihängt voller Amulette gegen den bösen Blick, insgesamt siebenAugen in der typischen blauen Tropfen- oder Tränenform, wie sie überallauf den Märkten angeboten werden, um fremde Blicke auf sich zu lenken,dort zu zentrieren und so ihren Träger unbehelligt zu lassen. Wasist das Böse an diesen Blicken? Warum müssen sich muslimischeFrauen vor ihnen schützen, indem sie sich verhüllen? Antwort:weil sie begehrlich sind. Blicke sind grundsätzlich begehrlich, deshalb braucht ein Händlerauch nur den Blick auf die Waren lenken, die er verkaufen möchte,um die verborgene, naturgegebene Begehrlichkeit zu wecken. Werbung vonGemüseauslagen auf dem Wochenmarkt über TV-Spots bis hin zu deneingestreuten "Bannern" auf den Internet-Seiten. Doch im Web hat sich die Art von Blicken verändert. Das »Sich-schöne-Augen-machen«,der Austausch der Blicke, das Changieren von liebevoll guten bis hin zubegehrlich bösen Blicken zählt nicht mehr, ist hier uninteressantgeworden. Eben nicht die Qualität, sondern nur noch die Quantitätder »Eyeballs« ist von Belang, die Treffer und Hits auf einerSeite, von Countern gezählt und von den Logbüchern auf Servernausgewertet. Der Split, die Kluft des digitalen Interface in eine Welt vor und hinterdem Bildschirm zieht sich ebenfalls durch das, was wir als unsere persönlicheIdentität kennen. Sie droht einerseits verlustig zu gehen, da wirzur Werbezielgruppe, zum numerischen Eyeball verkommen, doch andererseitsbietet sich die Chance einer neuen, einer virtuellen Identität. Wasdaraus wird, ist noch nicht auszuloten und zu beantworten, doch eine Fragesteht bereits fest: was wird aus unserem wirklichen Leib vor dem Monitor? An unsere biologische Identität erinnern zwei Leibesdinge: derBauchnabel und die Augäpfel, die zusätzlich noch Trägerder sozialen Persönlichkeit sind, weshalb sie bei Verdacht mit schwarzenBalken verdeckt werden müssen. Das Bild eines in die Betrachtung des eigenen Nabels Versunkenen galtdem werkversessenen Abendländer lange Zeit als unziemlich, verwerflich,ja geradezu abstoßend. Er sieht in diesem Bild des Orientalen, Inders,Chinesen jemanden, der es versäumt, dem Leben tätig einen Sinnzu geben und stattdessen wie Narziss ins eigene Spiegelbild verliebt zusein scheint. Dem asiatischen Verständnis eines ruhenden Geschehenlassen stehtdie abendländische Auffassung der Meditation als intellektueller Arbeit,zum Beispiel Bibelforschung diametral entgegen. Das Augenlicht, den alten Philosophen Garant der Gottähnlichkeit,soll sich heute nicht herunterbeugen zum Ursprung des eigenen Lebens, sollnicht den Bauchnabel betrachten, sondern es soll, bevor es erlischt, verschmelzenmit dem blauen Licht der Monitore, soll mit ihm im Takt fließen undHits erzeugen. Darum hier eine offene Sammlung mit Portraits realer Bauchnäbel,deren individuelle Schönheit und Einzigartigkeit man betrachten kann,ohne die Augen vor dem Monitor verschließen zu müssen. Selbstdie obigen Werbebanner sind an dieser Stelle wichtig, denn sie sind mitein Grund, warum diese Seite überhaupt nötig wurde. Köln, Alanya, im Februar 2000 |