H. Zänder:

ORBIS TV PICTUS


Orbis televisionis pictus ist der Titel einer Zeichenserie, die die Logik,die Motive und Herkunftslinien des Fernsehens untersuchen und inventarisierenmöchte. Das Fernsehen ist ein junger Verwandter aus der Familie derApparate, mit denen wir auf das Lebendige gucken. Es erzeugt einen weltweiten,mehrkanäligen Bilderstrom, der fast ungefiltert durch uns hindurchfließtund uns mit möglichen Ansichten auf die Welt und mit virtuellen Phantasienbedient. Durch immer schnellere Schnitte ist es an der allgemeinen Beschleunigungunserer Zeit beteiligt , durch gezielte und ungezielte Schulungsarbeit wirddemonstriert, wie etwas zu konsumieren, zu verstehen ist, wie etwas selberspringt oder gesprengt wird. Die atemberaubenden Bewegungsgestalten desFernsehens sind so mitreißend schnell, daß wie Hans im Glückjeder mitschwingen muß, ohne die Herkunft und Reichweite der darinspielenden Motive eigens bedenken zu können.

Deshalb halte ich mit dem Videorecorder den Bilderfluß an und löseaus Werbung, Nachrichtensendungen, Sex- und Gameshows, aus Filmen und Musikvideoclipsdie Motive, die bewegen, heraus und binde sie neu zu kleinen Drei-Bild-Einheiten,die in der Lage sein sollen, heute herrschende Themen zu formulieren undin Ruhe faßbar zu machen. Die DIN A4 Zeichnungen sind als visuelleHaiku gedacht und sollen auf begrenztem Raum poetische, kritische, witzigeund kommentierende Möglichkeiten ausloten. Auch wenn sie wie Storyboardsoder Cartoons wirken, sind keine Geschichten gemeint, sondern anschaulicheZusammenhänge, die durch Facettierung deutlich werden sollen.

Fernsehen nehme ich als ein riesiges, dynamisches Bildwörterbuch, daseine Fülle von Kann- und Sollwelten vor die eine hochbedrohte Erdweltstellt. Mit einem ordnenden Auge versuche ich, diese Differenz wieder spürbarund denkfähig zu machen. Bei aller Reduktion der konzeptionellen Entscheidungenentwickeln sich die einzelnen Reihen von OTVP nach immer neuen künstlerischenAufgabenstellungen. Angefangen mit Bildern vor laufendem TV hat sich dieReihe über Bleistiftzeichnungen vor Standbildern, die nach dem Kopierenauf Karton mit flüssigen Acrylfarben koloriert wurden, über Experimentemit Overlaykopien, Offseteditionen allmählich zu einer Auseinandersetzungmit der Multi-Media-Welt der Computer entwickelt, die auch in der realenGenerationenfolge der Technologien die Megabilderwelt des Fernsehens sicheinverleiben wird.



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